Kann denn Flugware Bio sein?

Gerade in der kalten Jahreszeit, wenn die heimische Obst- und Gemüsevielfalt abnimmt, ist die Verlockung groß zu tropischer Ware zu greifen: Ananas, Mango, Papaya und Co lassen uns den Winter für einen kurzen Moment vergessen und von tropischer Wärme träumen.
Der größte Teil dieser Produkte werden unreif geerntet und per Schiffscontainer zu uns gebracht. Die Ökobilanz dieser Produkte ist daher bereits durch den Transport belastet – wesentlich größer ist allerdings der ökologische Fußabdruck, den reif geerntete Früchte die per Flugzeug bei uns landen hinterlassen. Berechtigterweise stellt sich bei beiden Arten des Transports die Frage, ob ein Produkt mit einer derart schlechten Transport- Bilanz denn überhaupt noch als Bio betrachtet werden darf.
Um diese Frage zu beantworten braucht es einen Wechsel der Perspektive: die meisten tropischen Früchte werden in Gegenden angebaut und geerntet, die über keinerlei Infrastruktur verfügen. Der Handel mit den für den Export gedachten Früchten stellt für manche Gemeinde die einzige Möglichkeit dar, außerhalb der Tauschwirtschaft zu agieren. Erst das Interesse von exportierenden Unternehmen führt zu einem Anschluss der Dörfer an das Straßen- und Schienennetz, oftmals übernehmen die Exportunternehmen die Erschließung samt Kosten weil die örtlichen Entscheider keinerlei Interesse an der wirtschaftlichen Entwicklung ihrer Bürger an den Tag legen.
Ein Dorf, das derart am Welthandel teilnehmen kann entwickelt sich auch anderweitig: mit dem Straßennetz kommt die Möglichkeit, im nächsten Ort auf den Markt zu fahren, die Kinder zur Schule zu schicken, einen Arzt aufzusuchen: alles Dinge, die uns selbstverständlich erscheinen. Ausschlaggebend für eine solche Entwicklung ist natürlich, wieviel vom Erlös in der Hand der Landwirte bleibt und hier können ökologische Anbauer oft punkten: Projekte, wie die von Bioladen, Rapunzel, Morgenland oder Initiativen wie Kipepeo und SEKEM leisten vorbildliche Arbeit und unterstützen die Einheimischen mit Kinderbetreuung, Schulen, Schulessen aber auch Weiterbildung der Erwachsenen. Kosmetikfirmen wie I&M schulen die Mitarbeiter vor Ort, damit die Wertschöpfung durch die Verarbeitung im Land bleibt und nicht nur die Rohware billig ausgeführt wird (z.B. die Verarbeitung von Argan- Nüssen in Äthiopien). Dr. Hauschka geht noch einen Schritt weiter und übergibt die Firmen vor Ort an die Mitarbeiter, mit denen das Projekt aufgebaut wurde (z.B. in der Türkei den Anbau von Demeter- Rosen).
Um wieder auf die Flug- Mango und -Ananas und generell tropische Früchte zurückzukommen: das, was für unreif geerntete Früchte gilt, gilt in noch höherem Maße für reif geerntete: die Früchte müssen vollständig gekühlt werden: das Dorf wird also elektrifiziert. Kühltransporter werden importiert, Menschen ausgebildet: es wird Geld ins Land gebracht und nicht nur herausgeschafft.
Der ökologische Fußabdruck mag also nicht gut sein, aber der soziale kann es durchaus. Ab und an können wir sie uns guten Gewissens gönnen und unterstützen damit Menschen, die bisher wirklich rein gar nichts zur Umweltproblematik beigetragen haben. Als Ausgleich kann sich jeder überlegen, was in seiner macht steht: mal das Auto stehen lassen, auf eine Flugreise verzichten, vor Ort einkaufen statt sich zuhause beliefern zu lassen, das Fahrrad nehmen… es gibt so viele Möglichkeiten.

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