Der Bio- Fachhandel: was machen wir anders?

Wenn Sie Bioprodukte im Fachhandel kaufen unterstützen Sie damit eine andere Art des Wirtschaftens als wenn Sie das gleiche Produkt im konventionellen Lebensmitteinzelhandel erwerben.

Die Biobewegung hatte in ihren Anfängen auch starke politische und soziale Anliegen: neben dem Umweltschutz ging es um faire Bezahlung für die Erzeuger und gute Arbeitsbedingungen für die Menschen auf allen Stufen des Wertschöpfungsprozesses, der so genannten Wertschätzungskette.

Der Preisdruck im konventionellen Handel begann in den 80er Jahren sich auf alle handwerklichen Berufe auszuwirken: Da die Familie Unseld seit vielen Generationen im Bäckerhandwerk tätig ist, betraf uns das hier direkt. Das Aufkommen von lebensmitteltechnisch intransparenten Backmischungen erleichterte die Massenproduktion, erhöhte den Preisdruck und führte so zum Aussterben kleiner Bäckereien: heute existieren noch weniger als 12.000 Betriebe in ganz Deutschland, während es in den 80er Jahren noch über 30.000 Betriebe alleine in Westdeutschland gab. Die Entscheidung, das handwerkliche Backen beizubehalten und auf Bio- Rohstoffe umzustellen erfolgte fast zeitgleich mit der Entscheidung, gemeinsam mit anderen Mistreitern den ersten Bioladen Ulms zu eröffnen. Dieses Jahr wurden wir vom Feinschmeckermagazin wiederholt zu einem der 500 besten Bäcker Deutschlands gekürt.

Der Bio- Fachhandel (FH) unterscheidet sich vom konventionellen Lebensmittelhandel (LEH) neben vielen anderen Aspekten auch durch den dreistufigen Aufbau von Erzeuger und Hersteller (Stufe 1), Großhandel (Stufe 2) und Fachhandel (Stufe 3). Der Hintergrund dieser Dreistufigkeit ist der Wunsch nach Einbindung kleiner und kleinster Erzeuger und Hersteller: diese können keinen eigenen Vertrieb leisten und sind auf einen Großhandel angewiesen der ihnen die Freiheit lässt, eigenständige Unternehmer zu bleiben und eigene Produkte auf eigene Art und Weise zu erzeugen. Andererseits sollte es auch die Fachhändler befähigen, auch ohne die Marktmacht eines Filialisten ihren Platz im Markt zu finden: im LEH teilen sich heute die vier größten Handelsunternehmen 85% des Handelsvolumens. Das lässt wenig Spielraum für kleine Händler.

Während im LEH eine immer stärkere vertikale Integration stattfand, verloren die Hersteller und Erzeuger immer mehr die Freiheit, selbst über die Qualität ihrer Produkte zu bestimmen. Sie wurden zu bloßen Rohstofflieferanten degradiert. Vertikale Integration bedeutet, dass der Händler selbst den Großhandel übernimmt und zum Teil auch selbst als Hersteller auftritt, wie das z.B. bei den Eigenmarken der Fall ist. Der Händler hat dann die Macht, dem Hersteller über die Preisvorstellung des gewünschten Produktes auch die Qualität vorzuschreiben. Der hier erzeugte Preisdruck wird in der Wertschöpfungskette nach unten weitergereicht und in der Regel von den Schwächsten der Kette getragen: den Landwirten, die dann die Kosten irgendwie einsparen müssen. Im Ausland geschieht das oft bei der Bezahlung der Landarbeiter -bekannt ist das durch Berichte über die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Migranten in Spanien und Italien- in der Tierzucht wird beim Futter gespart mit der Folge, dass es immer wieder zu Futtermittelskandalen kommt wie letztens der Fipronil- Skandal, aber auch die Haltungsbedingungen werden nach dem Minimalprinzip gestaltet: das Tierwohl kann hier nur eine der Preisstellung untergeordnete Rolle spielen. Auch in der Landwirtschaft hat der Preisdruck aus dem Handel Folgen: die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe hat sich seit 1980 auf ein Drittel der vorher bestehenden Betriebe reduziert, Zuwächse gab es lediglich bei der Anzahl der Betriebe mit 20 Hektar Fläche und mehr: in dieser Betriebsgröße haben sich die Zahlen verdreifacht. Um die fehlende Rentabilität der landwirtschaftlichen Erzeugung auszugleichen wird in der konventionellen Landwirtschaft -nicht aber in der Biolandwirtschaft- massiv umverteilt. Die Subventionierung fördert schon seit vielen Jahren große Betriebe mit der Folge, dass Massentierhaltung und Monokultur die konventionelle Landwirtschaft heute rentabel machen, alles andere aber kaum bezahlbar ist. Die durch die konventionelle Landwirtschaft erzeugten Umweltkosten und die Subventionen mittels Steuergeldern werden von den Verbrauchern nicht als Zusatzkosten zu den Marktpreisen wahrgenommen, sodass der Wettbewerb zwischen konventionell erzeugten Produkten und Bioprodukten sehr stark verzerrt wird. In Deutschland wächst zwar der Umsatz mit Bioprodukten seit einigen Jahren zweistellig, nicht aber die Flächen der Biolandwirtschaft: zu schwierig ist es, hier rentabel zu wirtschaften da der Preisdruck des LEH nun auch hier angekommen ist.

 

2 Responses
  1. Robert Strasser

    Mein Gott! Diesen super-komplexen Text so en Passant zwischen Lebkuchen-Rezepten zu platzieren zeugt von großer Sicherheit und großem Mut! Gratuliere! Die Zeit dazu zu nutzen, das aufzuschreiben, was man lange schon weiß und auch dann Mühe geben es zum Exzerpt zu reduzieren!! I like. I like very!!

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